Unser System ist fürs Fühlen gemacht. Doch wir sind dazu konditioniert, es zu vermeiden.

Warum Körperarbeit in der Therapie?

Emotionale Regulation ist körperlich verankert und nicht nur eine bewusste Entscheidung. Die Unterdrückung bestimmter Gefühle kann zu einem autonomen Überlebensreflex geworden sein, z.B. wenn du als Kind gelernt hat, dass Wut gefährlich ist. Beispiel: Scham (ein dorsal-vagaler Zustand) kann Wut (sympathisches System) unterdrücken. Wenn es früher gefährlich war, Gefühle zu zeigen (durch Ablehnung, Bestrafung oder emotionale Kälte), lernte dein Körper: Wut nicht fühlen = Überleben. Aber Emotionen gehen immer mit einer körperlichen Reaktion einher. Sie sind Energie, die fließen möchte. Wenn diese Energie nicht fließen darf, dann staut sie sich.
Sie wird gehalten.
Nicht im Verstand, sondern im Körper.

CHRONISCH UNTERDRÜCKTE EMOTIONEN WERDEN IM KÖRPER GESPEICHERT.

Besonders im Fasziengewebe. Faszien helfen die Energie (Emotion) festzuhalten, indem sie fest werden. Und wenn Emotionen chronisch unterdrückt werden, wird diese Energie zu faszialen Verspannungen. Langfristig kann sich das in körperlichen Symptomen, Fehlhaltungen (über Generationen hinweg) oder Krankheiten manifestieren. Beispiel: Im Körper gespeicherte unterdrückte Wut führt zu chronischem Stress – einem dauerhaft erhöhten Kortisol- und Adrenalinspiegel. Dadurch wird das Immunsystem geschwächt, was wiederum ein Türöffner für Krankheit darstellt.

TRAUMA WIRD IM KÖRPER GESPEICHERT.

Auch bei traumatischen Erfahrungen, wenn der emotionale oder körperliche Stress zu groß ist, findet das Nervensystem einen Weg, diesen nicht verarbeiten zu müssen (wie ein elektrisches Gerät, das sich ausschaltet, wenn der Stromkreis überlastet ist, damit das Kabel nicht durchbrennt). Dein Nervensystem hat also einen Weg gefunden, dich zu schützen. Ein sehr sehr smarter adaptiver Überlebensmechanismus! Aber die Energie und nicht integrierte Erfahrung muss irgendwo gehalten werden. Muss eingefroren werden. Und wo? In deinem Körper. Das zeigt sich in einem dauerhaft dysregulierten Nervensystems, in Daueranspannung, v.a. in Kiefer, Becken und Nackenbereich. In Erschöpfung, Taubheit, Dissoziation und Reizbarkeit. Dein Körper funktioniert, aber er glaubt nach wie vor in Gefahr zu sein. Durch Körperarbeit darf er wieder die Erfahrung machen, sicher zu sein. Er darf fühlen, was er zuvor nicht fühlen konnte oder durfte.

Durch Körperarbeit lernst du dich wieder selbst zu spüren. Den Schmerz loszulassen, den du im Körper festhältst. Dich wieder natürlich zu regulieren.

"Nicht das Ereignis selbst ist das Trauma. Sondern die Trennung von dir selbst, die daraus entsteht." - Gabor Maté

Welche Arten von Körperarbeit gibt es?

Es gibt viele verschiedene Ansätze, um wieder ins Spüren und Kontakt mit unterdrückten oder abgespalteten Emotionen zu kommen und das Nervensystem zu regulieren. Und jeder darf für sich explorieren, was am wirksamsten ist. Man könnte übergeordnet grob unterscheiden zwischen:

Strukturelle Körperarbeit mit Fokus auf Faszien und Muskeln (z.B. Myofasziale Therapie, Dehnen, Yin Yoga)

Somatisch-emotionale Körperarbeit mit Fokus auf Emotional Release (z.B. Somatic Experiencing, TRE – Tension & Trauma Releasing Exercises / Neurogenes Zittern) 

Atembasierte energetische Körperarbeit (z.B. Breathwork, Holotropes Atmen, Reiki, Kundalini-Aktivierung) 

Berührungs- und Präsenzbasierte Körperarbeit (z.B. Cranio-Sacral-Therapie, Tantra, Massagen, gegenseitiges Halten / Co-Regulation)

Ausdrucks- & Bewegungsbasierte Körperarbeit (z.B. Ecstatic Dance, freier Ausdruckstanz, Tapping, Schütteln)

→ Letztlich sind die Übergänge jedoch fließend. Und Körperarbeit fängt eigentlich dort an, wo wir in Kontakt mit unserem Körper kommen. Oder auch wenn wir in Kontakt zu anderen Körpern kommen. Wenn wir den Raum betreten und auf andere Lebewesen treffen, mit denen wir interagieren, fängt Körperarbeit eigentlich bereits (wenn auch unbewusst) an.

Körperarbeit fängt dort an, wo wir in bewussten Kontakt mit unserem eigenen oder den Körpern anderer treten.

Ich liebe besonders körperbasierte Ausdrucksformen wie Ausdruckstanz, Tapping, Schütteln, Stampfen und Atemarbeit, vor allem, weil sie Werkzeuge sind, die wir lernen und selbstständig für unsere eigene Regulation nutzen können.
In Gruppen oder in der Begleitung mit anderen erlebe ich berührungsbasierte Körperarbeit als tief heilsam, weil sie oft genau das vermittelt, was uns früh gefehlt hat: echte Präsenz, Sicherheit und Co-Regulation.

"Dance first. Think later. It's the natural order." - Samuel Beckett

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